PSSD im Detail

PSSD bedeutet Post SSRI Sexual Dysfunction; es handelt sich also um eine nach der Einnahme eines SSRI fortbestehende sexuelle Dysfunktion. Es sind auch Fälle bekannt, bei denen SSNRI, atypische Neuroleptika oder andere Psychopharmaka PSSD verursacht haben. Der Begriff sexuelle Dysfunktion greift allerdings eindeutig zu kurz, denn bei PSSD handelt es sich um ein Syndrom (also eine Kombination verschiedener Symptome), das neben dem sexuellen Bereich auch den kognitiven Bereich (Wahrnehmung und Denken), den emotionalen Bereich (Gefühle) und den neurologischen Bereich (Nerven, Muskulatur etc.) betreffen kann.

Betroffene erleben es oft so, als ob plötzlich ein Schalter umgelegt worden ist, der sie zu einem anderen Menschen gemacht hat. Sie fühlen sich plötzlich wie kastriert und/oder betäubt. Die meisten Betroffenen betonen, solche Gefühle zuvor nie gehabt zu haben.

Dennoch nimmt die überwiegende Mehrheit der Ärzte das Problem nicht ernst, da sie es auf psychosomatische Ursachen zurückführen. Jedoch sind auch von anderen Medikamenten, z. B. dem Haarwuchsmittel Finasterid verblüffend ähnliche Langzeitfolgen bekannt, obwohl die meisten Patienten psychisch gesund sind.

Welche Symptome werden von Betroffenen genannt?

Sexueller Bereich:

  • Reduktion oder Verlust von Libido bzw. sexuellem Verlangen
  • Reduktion oder Verlust der Sensibilität erogener Zonen (z. B. Eichel, Hoden, Brustwarzen, Klitoris, G-Punkt etc.)
  • Taubheitsgefühle in Penis oder Vagina („Genital Anesthesia“/genitale Hypästhesie)
  • Erektionsstörungen
  • reduzierte oder ausbleibende Lubrikation („Feuchtwerden“ bei Frauen)
  • Schwierigkeiten, sexuelle Erregung aufrechtzuerhalten
  • Schwierigkeiten oder Unfähigkeit, einen Orgasmus zu erreichen (Anorgasmie)
  • weniger intensive oder komplett gefühllose Orgasmen, die nur Muskelkontraktionen auslösen
  • Ausbleiben erotischer Träume
  • Ausbleiben der morgendlichen Erektion
  • keine Reaktion (z. B. Kribbeln/„Schmetterlinge im Bauch“) mehr auf sexuell Reize und Erinnerungen
  • reduziertes Samenvolumen
  • veränderte Konsistenz oder Farbe der Samenflüssigkeit
  • Ausbleiben von oder Abneigung gegenüber sexuellen Fantasien und Reizen (Asexualität)
  • Missempfindungen/Schmerzen in Penis/Vagina/Hoden
  • Verkleinerung des Penis/der Hoden

Kognitiver, emotionaler und neurologischer Bereich:

  • schwere Konzentrationsstörungen
  • „Brain Fog“
  • Ausbleiben von Träumen (jeglicher Art)
  • Unfähigkeit, Freude zu empfinden (Anhedonie)
  • Unfähigkeit, negative Gefühle wahrzunehmen
  • Empathielosigkeit
  • Unfähigkeit, Musik als schön und angenehm wahrzunehmen
  • Tics (Muskelzucken)
  • Muskelschwäche
  • reduzierter Geruchs- und/oder Geschmackssinn
  • veränderte Reaktionen auf Medikamente/Alkohol
  • starkes Schwitzen

Welche Verlaufsformen sind bekannt?

 

Betroffene berichten von unterschiedlichen Verlaufsformen. Bei einigen scheint es Parallelen zu dem bekannten SSRI-Absetzsyndrom zu geben. Genauere Hintergründe sind bisher allerdings nicht bekannt. Grob betrachtet lassen sich die folgenden Typen unterscheiden, wobei bisher nicht gesagt werden kann, welcher Typus am häufigsten auftritt:


Typ A


  • erstmaliges Auftreten der Symptome während der Einnahme (teils sofort, teils schleichend)
  • Verschlimmerung der Symptome mit Dosiserhöhung
  • teilweise leichte Verbesserung bei Dosisreduktion bzw. mit und nach dem Absetzen

Typ B


  • erstmaliges Auftreten der Symptome während der Einnahme (teils sofort, teils schleichend)
  • Verschlimmerung der Symptome beim Absetzen (ähnlich wir bei einem Absetzsyndrom)
  • teilweise leichte Verbesserung nach dem Absetzen

Typ C


  • erstmaliges Auftreten der Symptome beim bzw. kurz nach dem Absetzen
  • teilweise leichte Verbesserung über einen längeren Zeitraum nach dem Absetzen

Woher weiß ich, dass ich unter PSSD leide?

Die folgenden Kriterien können nur als Leitlinie verstanden werden, da bisher keine offiziellen Kriterien, z. B. nach ICD oder DSM, vorliegen.

 

  • Das sexuelle Empfinden war bis zur Einnahme des Medikaments insgesamt angenehm und normal.
  • Die Symptome traten erstmals a) während der Einnahme, b) beim Absetzen oder c) kurz nach dem Absetzens des Medikaments auf.
  • Kein anderes, weiterhin eingenommenes Medikament kann die Symptome verursachen.
  • Es liegt keine andere Erkrankung vor, die eine Erklärung für die Symptome liefern würde.